Geschäftsjahr des OMV Konzerns
Im Jahr 2023 erzielte die OMV mit EUR 6 Mrd das bisher zweitbeste CCS Operative Ergebnis vor Sondereffekten in ihrer Geschichte. Darüber hinaus blieb der Cashflow aus der Betriebstätigkeit exklusive Net-Working-Capital-Positionen mit EUR 4,6 Mrd signifikant, und der organische freie Cashflow belief sich auf EUR 2,3 Mrd. Der Leverage-Grad lag mit 8% auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Diese finanzielle Stärke ist eine exzellente Basis für die weitere strategische Entwicklung der OMV hin zu einem führenden Unternehmen im Bereich von nachhaltigen Kraftstoffen, Chemikalien und Materialien sowie für das Ziel, den OMV Aktionär:innen attraktive Renditen zu liefern.
Wirtschaftliches Umfeld
Makroökonomie
Für das Jahr 2023 wurde eine weitere Verlangsamung des globalen BIP-Wachstums prognostiziert. Sieht man von den stärksten Rezessionsphasen (2001–2002, 2009, 2020) ab, dürfte sich 2023 damit als eines der bisher schwächsten Jahre herausstellen. Grund dafür ist, dass sich die Volkswirtschaften nur langsam von den Folgen der Pandemie, dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Teuerungskrise erholen. Kriegsbedingte Störungen der Energie- und Nahrungsmittelmärkte sowie die beispiellose Verschärfung der globalen monetären Bedingungen zur Bekämpfung der höchsten Inflation seit Jahrzehnten führten dazu, dass sich die Weltkonjunktur verlangsamte, indes nicht stagnierte. Laut jüngster Prognose des IMF wurde für 2023 ein jährliches BIP-Wachstum von knapp über 3% erwartet, wobei davon ausgegangen wurde, dass sich der Trend im Jahresverlauf abschwächen würde. Diese Schätzung liegt deutlich unter den Wachstumsraten von 3,5% bzw. 3,7%, d. h. den Durchschnittswerten von 2022 bzw. des Zeitraums 2010–2019.*IMF World Economic Outlook, Jänner 2024
Der wirtschaftliche Abschwung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Der Sparüberhang, der aus den Konjunkturbelebungsmaßnahmen während der Pandemie resultierte, ist in den Industrieländern, insbesondere in den Vereinigten Staaten, mittlerweile rückläufig, was bedeutet, dass den Haushalten weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Die Zahl der internationalen Touristenankünfte nähert sich in den meisten Regionen erneut dem Niveau vor der Pandemie. Während sich der Tourismus weiter erholt, lassen die Impulse für Wachstum nach. Angesichts des Rückgangs der Industrieproduktion und der Investitionstätigkeit geriet auch das verarbeitende Gewerbe unter Druck. Restriktivere Kreditbedingungen und die Teuerungskrise wirkten sich zusätzlich belastend auf die Fertigungswirtschaft aus. Hinzu kam als postpandemischer Trend, dass sich der Konsum wieder stärker auf Dienstleistungen verlagerte.
Darüber hinaus entwickelte sich das Wachstum weiterhin uneinheitlich, mit zunehmenden globalen Divergenzen. Die Konjunkturschwäche machte sich in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften deutlicher bemerkbar, wohingegen Schwellenländer im Allgemeinen mehr Widerstandskraft zeigten. Ein positiver Ausnahmefall in der Gruppe der Industrieländer waren die Vereinigten Staaten, da die US-Wirtschaft durch eine robuste Konsumnachfrage und Investitionstätigkeit in einer besseren Verfassung blieb. Unter den Schwellenländern war hingegen China eine negative Überraschung, da die anhaltende Krise im Immobiliensektor und eine generell nachlassende Zuversicht die Binnenwirtschaft zusehends belasteten.
Während sich der Dienstleistungssektor zunächst erholte und schließlich das Niveau von vor der Pandemie übertraf, hatte die starke Nachfrage nach arbeitsintensiven Dienstleistungen eine Verknappung von Arbeitskräften und eine anhaltend höhere Teuerung bei den Dienstleistungspreisen zur Folge.
Auch bei der Beschäftigung gab es regionale Unterschiede. Schätzungen zufolge werden die Beschäftigungs- und Erwerbstätigenzahlen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften über den Entwicklungstendenzen der Zeit vor der Coronakrise liegen, während sie in den Schwellenmärkten aufgrund stärkerer Produktionsrückgänge und signifikant schwächerer Systeme zur sozialen Absicherung deutlich darunter bleiben werden.
Die Teuerungskrise war auch weiterhin eine der zentralen Herausforderungen für politische Entscheidungsträger:innen, auch wenn die globale jährliche Inflationsrate von 8,7% im Jahr 2022 (die höchste seit 1996) auf 6,9% im Jahr 2023 zurückging. Auslöser für den Inflationsschub waren die zwischen der zweiten Jahreshälfte 2021 und Anfang 2023 stark gestiegenen Energiepreise, was Auswirkungen auf die Preise in sämtlichen Wertschöpfungsketten hatte. Zudem führte der Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu Verknappungen auf den Nahrungsmittelmärkten. Eine spürbare Verringerung des Inflationstempos lässt sich auch mit sinkenden Öl- und Gaspreisen in Verbindung bringen, während bei den Lebensmittelpreisen Anzeichen für eine Entspannung erkennbar wurden. Zuvor waren die Lieferketten aufgrund sehr starker, wenn auch temporärer Verschiebungen im Verbraucherverhalten unter Druck geraten. Eine Normalisierung in diesem Bereich trug jedoch zu einer Inflationsabschwächung bei.
Auch die Kerninflation*Inflation ohne Lebensmittel und Energie ging im Jahr 2023 zurück, hielt sich jedoch im Vergleich zu den Gesamtzahlen hartnäckiger. Mit dem langsamen Ende der fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen aus der Coronazeit ließ die Nachfrage nach. Der Effekt früherer Preisschocks wurde jedoch in die kurzfristigen Inflationserwartungen einbezogen, wodurch die Kernteuerung starrer blieb. In den USA trug die angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten zu einer erhöhten Kerninflation bei.
Als Reaktion auf die hohen Inflationsraten begannen die Zentralbanken mit einer aggressiven Straffung der Geldpolitik. Die EZB, die FED und die Bank of England hoben ihre Leitzinsen im Jahr 2023 um 100 bis 200 Basispunkte an. Im aktuellen Zyklus stiegen die Leitzinsen in den USA und Großbritannien um mehr als 500 Basispunkte im Vergleich zu früheren Tiefständen, während es in der Eurozone bis Ende 2023 zu einem Anstieg von über 400 Basispunkten kam. Die einzige Ausnahme war die Bank of Japan, deren Leitzinssatz seit 2016 unverändert –0,1% beträgt. Die Länder stehen auch hinsichtlich ihrer Zinserhöhungszyklen an unterschiedlichen Punkten. Während sich die fortgeschrittenen Volkswirtschaften mit Ausnahme Japans auf oder nahe dem Höhepunkt befinden, haben einige Schwellenländer bereits mit Zinslockerungen begonnen.
Höhere Zinssätze begannen sich über monetäre Transmissionsmechanismen auf die Wirtschaft auszuwirken. Aus Erhebungen zu Kreditvergaben in den großen Volkswirtschaften geht hervor, dass der Zugang zu Krediten deutlich schwieriger geworden ist. Die restriktiveren Kreditbedingungen wirkten sich nachteilig auf den Wohnungsmarkt, Investitionen und die Wirtschaftstätigkeit aus – vor allem in Ländern mit einem höheren Anteil an variabel verzinsten Krediten oder dort, wo die Haushalte weniger gewillt bzw. nicht in der Lage sind, auf Ersparnisse zurückzugreifen. In den USA und im Euroraum stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen an, wenn auch ausgehend von einem historisch niedrigen Niveau.
Öl und Gas
Die Europäische Union hat als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine energiebezogene Sanktionen gegen Russland verhängt. Dies hat zur Folge, dass Rohöl und bestimmte raffinierte Erdölerzeugnisse seit dem 5. Dezember 2022 bzw. dem 5. Februar 2023 nicht mehr aus Russland eingeführt werden dürfen. Für die Einfuhr von über Pipelines geliefertes Rohöl an diejenigen Mitgliedstaaten, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Lieferungen aus Russland abhängig sind und über keinerlei tragfähige Alternativen verfügen, ist eine vorübergehende Ausnahme vorgesehen. Ferner werden insbesondere Bulgarien und Kroatien von befristeten Ausnahmeregelungen profitieren, die die Einfuhr von russischem Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, und Vakuum-Gasöl betreffen.
Außerdem besteht ein Verbot für EU-Schiffe, russisches Rohöl und Erdölerzeugnisse in Drittländer zu befördern. Die Sanktionen verbieten auch die Bereitstellung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, Finanzmitteln oder Finanzhilfen. Dieses Verbot gilt nicht, wenn das Rohöl oder die Erdölerzeugnisse zu einem Preis erworben werden, der der Preisobergrenze entspricht oder darunter liegt.
Infolgedessen sank der europäische Anteil an den russischen Ausfuhren auf dem Seeweg von 50% bis 60% auf etwa 10%, während China und Indien zu den größten Importeuren von russischem Rohöl wurden.
Der Preis für Brent fiel von USD 101/bbl im Jahr 2022 auf USD 83/bbl im Jahr 2023. Der Rohölpreis schwankte seit August 2022 im Bereich von USD 75–100/bbl, wobei der Rückgang im Jahresdurchschnitt auf den abrupten Preisanstieg in der ersten Jahreshälfte 2022 infolge des Russland-Ukraine-Kriegs zurückzuführen war. Das Jahr 2023 begann mit optimistischen Konjunkturerwartungen, die durch die Erholung der chinesischen Wirtschaft nach der Aufhebung der letzten Covid–19-Beschränkungen getragen wurden, was auch die Ölnachfrage ankurbelte. Nach Angaben der IEA stieg die Ölnachfrage 2023 im Jahresvergleich um 2,4 mbbl/d, wobei die Nachfrage aus China 1,8 mbbl/d ausmachte. Aufgrund der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen steigender Zinsen und sinkender real verfügbarer Einkommen infolge der weltweit hohen Inflation begannen sich die Konjunkturerwartungen in der zweiten Jahreshälfte einzutrüben. Infolgedessen war die OPEC+ zu weiteren Produktionsdrosselungen gezwungen, um die Märkte im Gleichgewicht zu halten.
Im Jahr 2022 stand Erdgas auf den Energiemärkten aufgrund rekordverdächtig hoher Preise und deren Volatilität im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Selbst noch Ende 2022 gab es Tage, an denen die Day-Ahead-TTF-Preise bei knapp EUR 150/MWh lagen. Dies war auf die Sorge um eine Dezimierung der Gasvorräte während des Winters zurückzuführen, da russische Importe nur mehr über Turkstream und in geringen Mengen über die Ukraine nach Europa gelangten. Die Vorräte der EU–27 lagen jedoch zum Ende der Heizsaison 2022–2023 bei 60% und damit deutlich über dem saisonalen Durchschnitt. Dadurch war auch die Aufstockung der Vorräte für die Heizsaison 2023–2024 wesentlich leichter zu bewältigen. Dies war einerseits darauf zurückzuführen, dass die Nachfrage schwächer ausfiel als erwartet, da der Heizbedarf aufgrund des warmen Winters niedriger war und zudem Sparmaßnahmen eingeleitet wurden. Andererseits wurde das verringerte russische Angebot teilweise durch LNG kompensiert, das zum überwiegenden Teil aus den USA bezogen wurde. Im weiteren Verlauf des Jahres 2023 blieb die Nachfrage niedriger als in den Vorjahren. Ursächlich dafür waren allerdings die schwächeren makroökonomischen Fundamentaldaten, die die Nutzung von Erdgas in der Industrie beeinträchtigten. Die Daten für das Jahr 2023 zeigen, dass die Erdgasnachfrage der EU–27 im Vergleich zu 2022 um 10% und im Vergleich zu 2019 und 2021 um 19% zurückging.
Aufgrund der schwächeren Fundamentaldaten blieben die Preise deutlich hinter den historischen Höchstständen zurück und bewegten sich die meiste Zeit des Jahres im Bereich von EUR 30–50/MWh. Diese Werte waren aber immer noch um 50% bis 100% höher als in der Vergangenheit, da Europa – im Unterschied zu asiatischen Abnehmern – die Preise weiterhin höher ansetzen musste, um Einfuhrmengen zu sichern.
Raffinerien und petrochemische Produkte
Die Raffineriemargen blieben 2023 auf einem gesunden Niveau, da die weltweiten Raffineriekapazitäten nicht mit der steigenden Nachfrage mithalten konnten, wodurch die Crack-Spreads ein hohes Niveau beibehielten. Allerdings kam es im Jahresverlauf zu unterschiedlichen Dynamiken, die insbesondere durch die Crack-Spreads bei Diesel ausgelöst wurden. Für die erste Jahreshälfte prägend war ein rückläufiger Trend ausgehend von einer hohen Ausgangsposition, da das steigende Angebot aus dem Mittleren Osten die Diesel-Cracks unter Druck setzte. In der zweiten Hälfte des Jahres verschärfte die OPEC+ die Rohölkürzungen. Dies bewirkte eine geringere Verfügbarkeit von mittelschweren sauren Sorten mit hohen Ausbeuten an Mitteldestillaten. Generell wirkten sich außerdem ungeplante Stillstände in den Raffinerien auf die Margen aus. Die Crack-Spreads für Naphtha entwickelten sich über die meiste Zeit des Jahres 2023 unterdurchschnittlich, da schwache Polyolefinmargen die Nachfrage seitens der Steamcracker dämpften.
Durch die hohe Inflation und hohe Zinssätze dezimierte sich das verfügbare Einkommen der Verbraucher:innen im Jahr 2023, was wiederum in einem geringeren Wachstum der Nachfrage nach petrochemischen Produkten weltweit resultierte. Grund zur Sorge gaben vor allem die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Chinas, da das Land ein Drittel der weltweiten Nachfrage nach Polyethylen (dem bei weitem wichtigsten Ethylenderivat) ausmacht. Unterdessen geriet auch der Butadienmarkt aufgrund der geringeren Nachfrage der Bau- und Automobilindustrie unter Druck.