Vorwort des Generaldirektors

Ein Gespräch mit Alfred Stern, Vorstands- vorsitzender und Generaldirektor der OMV

Weitere Informationen finden Sie in der Videoaufzeichnung des Gesprächs mit Alfred Stern in unserem Online-Bericht

Alfred Stern — Chief Executive Officer (portrait)

Herr Stern, leider führen wir dieses Gespräch in schwierigen Zeiten ...

Das stimmt. Wir sind derzeit mit Krisen konfrontiert, die nur wenige von uns in ihrem Leben erlebt haben. Die Invasion der Ukraine durch russische Streitkräfte hat eine humanitäre Katastrophe ausgelöst, die uns fassungslos macht. Der Krieg erinnert die OMV und viele andere Unternehmen eindringlich daran, dass die Wahrnehmung der Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit ist und dass wir unseren Verpflichtungen gerecht werden müssen: Dazu gehört auch die Verpflichtung, dass wir uns nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen. Die OMV ist fest entschlossen, die Menschenrechte im Zusammenhang mit allen unseren geschäftlichen Aktivitäten zu achten, zu erfüllen und zu unterstützen. Deshalb wird die OMV in Zukunft keine Investitionen in Russland mehr tätigen und prüft derzeit hinsichtlich ihrer bestehenden Investitionen alle Optionen, einschließlich Ausstiegs- und Veräußerungsszenarien. Ich hoffe inständig, dass dieser sinnlose Krieg so bald wie möglich ein permanentes Ende findet, denn Freiheit und Wohlergehen kann es nur in Friedenszeiten geben.

Zudem sind wir immer noch mitten in einer globalen Gesundheitskrise. Die Pandemie prägt nun schon seit zwei Jahren unser Leben und hat uns alle zum Umdenken gezwungen, ob zum Thema Gesundheit, zur Frage der gesellschaftlichen Solidarität, zu Arbeitsweisen oder in Bezug auf psychisches Wohlbefinden, um nur einige Aspekte zu nennen. Tragischerweise haben wir in diesen zwei Jahren mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Covid-19 verloren: Mein tiefstes Mitgefühl gilt ihren Familien und allen, die ihnen nahestanden.

Und dann sind da noch die Klimakrise, der weltweite Biodiversitätsverlust, die Verschmutzung der Ozeane und eine Vielzahl anderer Bedrohungen für die Menschen und unseren Planeten. Als global agierendes Energie- und Chemieunternehmen tragen wir natürlich eine besondere Verantwortung. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir bei Innovation und Kreislaufwirtschaft führend sind und bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen werden. Und es ist auch enorm wichtig, dass wir Nachhaltigkeit aus einer ganzheitlichen Perspektive verstehen und Maßnahmen entwickeln, um all diese Herausforderungen zu bewältigen. Genau das wollen wir mit unserer neuen Unternehmensstrategie erreichen.

“Die OMV wird bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen. Dieser wesentliche Anspruch bildete die Grundlage für die Entwicklung unserer Geschäftsstrategie. Nachhaltigkeit ist kein Beiwerk, sondern das Herzstück der neuen Strategie der OMV.”

Wie lange kann es sich die OMV noch leisten, an ihrem Geschäftsmodell festzuhalten?

Nicht einen einzigen Tag, ganz nüchtern betrachtet. Auch wenn wir unser Geschäftsmodell nicht sofort radikal verändern können, müssen wir heute handeln und die Entwicklungen in die richtige Richtung lenken. Die neue OMV Strategie 2030 ist für uns ein echter Meilenstein des Wandels und besiegelt unser Bestreben, bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden. Wir haben ganz konkrete, ehrgeizige Pläne für die Zukunft: Für 2030 und 2040 haben wir uns absolute Ziele für die Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen sowie ein Ziel zur Verringerung der -Intensität unserer Energieversorgung gesetzt. Und wir haben einen Fahrplan entwickelt, wie wir diese Ziele erreichen können, nämlich dadurch, dass wir bei nachhaltigen Kraftstoffen und chemischen Rohstoffen ebenso führend werden wie bei hochwertigen Materialien. Wir werden unsere Strategie schnell umsetzen, um die Chancen, die uns die Energiewende bietet, bestmöglich zu nutzen.

Alfred Stern — Chief Executive Officer (portrait)

“Die OMV wird bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen. Dieser wesentliche Anspruch bildete die Grundlage für die Entwicklung unserer Geschäftsstrategie. Nachhaltigkeit ist kein Beiwerk, sondern das Herzstück der neuen Strategie der OMV.”

ALFRED STERN
Vorstandsvorsitzender

Inwiefern wurde das Thema Nachhaltigkeit bei der Ausgestaltung der neuen OMV Strategie berücksichtigt?

Bei der Entwicklung unserer neuen Strategie lag der Fokus definitiv auf Nachhaltigkeit. Unser Nachhaltigkeits-Framework stand schon fest, bevor die Details der neuen Strategie ausgearbeitet wurden. Die wesentlichen strategischen Säulen waren also von vornherein klar: das Ziel, bis 2050 ein klimaneutrales Unternehmen zu werden, Zwischenziele im Einklang mit dem -Szenario für nachhaltige Entwicklung festzulegen, in Sachen Kreislaufwirtschaft führend zu sein und die „Just Transition“ in der strategischen Planung zu berücksichtigen. Konsequenterweise bildete das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, die Grundlage für die Entwicklung der Geschäftsstrategie. Dies spiegelt unseren proaktiven Nachhaltigkeitsansatz wider: Nachhaltigkeit ist kein Beiwerk, sondern das Herzstück der Strategie der OMV.

Zusätzlich zu unseren neuen Klima- und Kreislaufwirtschaftszielen haben wir uns noch andere neue, ehrgeizige Ziele gesetzt – von Diversität, Gleichstellung und Inklusion bis hin zu Lieferantenbindung und Community-Investitionen. Unser neues Nachhaltigkeits-Framework bringt den ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz der OMV auf den Punkt. Dieser Ansatz basiert auf der Einbindung vieler Stakeholder-Gruppen, um herauszufinden, was für die OMV von Belang ist und wie wir als Unternehmen eine nachhaltigere Zukunft mitgestalten können.

Die Entwicklung der neuen Strategie klingt nach einem echten Höhepunkt. Was aber waren 2021 die Tiefpunkte?

Dass es 2021 tragischerweise drei Arbeitsunfälle mit Todesfolge bei OMV Vertragsunternehmen gab, bestürzt mich sehr. Denn so beeindruckend die Ergebnisse, die wir erzielen, auch sein mögen: Wenn sie auf Kosten von Menschenleben gehen, dann haben wir alle versagt. Wir verdoppeln daher jetzt unsere Anstrengungen, um die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Belegschaft zu gewährleisten. Deshalb werden wir zum Beispiel verstärkt Audits und Inspektionen von Vertragsunternehmen vornehmen und an allen Standorten Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung umsetzen.

Sie erwähnten die „Just Transition“: Was genau versteht man darunter und wie geht die OMV dieses Thema an?

„Just Transition“ bzw. „gerechter Wandel“ heißt, die Auswirkungen der Energiewende auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Anrainergemeinden zu berücksichtigen. Viele werden von der Umstellung auf eine sauberere, grünere und stärker kreislauforientierte Wirtschaft profitieren. Aber es gibt auch diejenigen, die dabei verlieren könnten – Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die um ihre Jobs fürchten müssen, oder Gemeinden, für die unsere Betriebe eine Existenzgrundlage sind. Natürlich wird sich unser Geschäftsmodell verändern. Klimaneutralität zu erreichen heißt, dass wir das Ziel verfolgen, die Produktion von Öl und Gas für die energetische Nutzung bis 2050 einzustellen. Mit unserer neuen Strategie verpflichten wir uns, die Öl- und Gasproduktion bereits bis 2030 zu reduzieren. Ein solcher Wandel bringt immense Herausforderungen mit sich, aber auch Chancen, etwa neue Arbeitsplätze bei der OMV in Bereichen wie erneuerbare Energien und Recycling.

Unsere neue Strategie zeigt etliche Wege auf, wie dieser Wandel anzugehen ist. So planen wir zum Beispiel, die Zahl der Schulungsstunden für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis 2030 nahezu zu verdoppeln – dazu gehört auch das Erlernen neuer Technologien und Fertigkeiten, um für den Wandel fit zu sein. Die Folgen des Klimawandels und die erwähnte „Just Transition“ werden in unseren Ansatz zu den Themen Menschenrechte und Anrainergemeinden einfließen. Zu den Optionen, die wir hier haben, gehören strategische Community-Investitionen zur Förderung von Bildung, Berufsausbildung und Qualifizierung. Damit soll sichergestellt werden, dass unsere Anrainergemeinden nicht auf der Strecke bleiben – auch dann nicht, wenn die direkte Rolle der OMV bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zurückgeht.

Unsere Welt verändert sich, die OMV verändert sich. Aber ich bin sicher, dass wir diesen Wandel schaffen können. Schließlich hat sich die OMV in den letzten Jahrzehnten ständig weiterentwickelt und war stets offen für Fortschritt. Bei der OMV haben wir schon immer für die Grundlagen für ein besseres Leben gesorgt – in Zukunft werden wir diese Grundlagen für ein nachhaltiges Leben neu erfinden. Wir werden die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit alle, die es wollen, diese Chancen auch nutzen können. Letztlich geht es bei allem, was wir tun, um einen wesentlichen Aspekt: Wir wollen eine nachhaltige Zukunft für alle aufbauen.

Alfred Stern e.h.
Vorstandsvorsitzender

CO2
Kohlendioxid
IEA
Internationale Energieagentur