Prozesssicherheit

Das Prozesssicherheitsmanagement umfasst die systematische Anwendung standardisierter Anweisungen, Praktiken und Spezifikationen, um eine sichere und zuverlässige Produktion zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Zu den grundlegenden Komponenten gehören unsere Organisation, Ressourcen, Managementprozesse, die Leistung von Menschen und Anlagen, die vorherrschende Sicherheitskultur sowie dokumentierte Vorschriften und Praktiken (eine Liste der Vorschriften finden Sie im Abschnitt Arbeitsschutz). Ein weiterer Aspekt des Prozesssicherheitsmanagements ist der Umgang mit Gefahren im Zusammenhang mit den chemischen und physikalischen Eigenschaften der Substanzen, die wir in unseren Öl-, Gas- und Chemietätigkeiten einsetzen. Die OMV und Borealis verarbeiten große Mengen an entzündlichen und/oder giftigen Materialien unter hohem Druck und hohen Temperaturen, die bei unsachgemäßer Handhabung potenziell zu schwerwiegenden Prozesssicherheitsereignissen führen können. In einem Worst-Case-Szenario könnten Lecks, Brände oder Explosionen auch Todesopfer fordern. Weitere mögliche Folgen sind eine gravierende Unterbrechung der Lieferungen an unsere Kund:innen und beträchtliche Kosten.

Management- und Due-Diligence-Prozesse

Die OMV hat umfassende Maßnahmen zur Gewährleistung der Prozesssicherheit implementiert, die im Folgenden beschrieben werden.

Risikobewertungen

Prozesssicherheitsrisiken werden durch eine Vielzahl von Risikobeurteilungen systematisch bewertet, wie etwa -/-Studien, quantitative Risikoanalysen (Quantitative Risk Assessments; QRAs) und Risikobewertungen gemäß der Seveso-Richtlinie, der wichtigsten -Verordnung zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen an Land.

Vor der Inbetriebnahme einer neuen Anlage, nach größeren Änderungen oder nach einer Generalüberholung führen wir eine unabhängige Sicherheitsüberprüfung durch, um die Sicherheit der Anlage in der Inbetriebnahmephase und im laufenden Betrieb zu gewährleisten.

Notfallmanagementpläne

Prozesssicherheitsereignisse könnten mitunter auch unsere Anrainergemeinden betreffen. Aus diesem Grund verfügen wir über effektive Notfallmanagementpläne, die mit den umliegenden Gemeinden abgestimmt sind.

Diese Notfallmanagementpläne sehen verschiedene Stufen vor, für die Aufgaben und Zuständigkeiten, Struktur und Kommunikation sowie Schnittstellen zu Notfall- und Störfallmanagementteams festgelegt sind. Um eine koordinierte Durchführung von Notfallmaßnahmen sicherzustellen, umfassen unsere Notfallpläne spezifische Notfallprozeduren sowie Alarmierungs- und Benachrichtigungsvorschriften.

Inspektion und Wartung

Umfassende Inspektions- und Wartungsprogramme werden von speziellen Abteilungen für Inspektion, Wartung und Anlagenintegrität durchgeführt. Sie nehmen regelmäßige Inspektionen von Anlagen und Maschinen, Rohrleitungen, Tanks usw. vor und kümmern sich um die Prüfung von Sicherheitsausrüstungen sowie die Instandhaltung und Revision von Anlagen.

Untersuchungen und Audits

Sämtliche Vorfälle werden in angemessener Weise zeitgerecht identifiziert und gemeldet. Arbeitsbezogene Vorfälle mit potenziellen Folgen für Menschen, die Umwelt, Vermögenswerte oder unsere Reputation werden entsprechend untersucht, um unmittelbare Ursachen, tiefer liegende Ur­sachen und systemische Ursachen zu ermitteln, aus denen Erkenntnisse gezogen werden können, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Tier-1- und Tier-2- Prozesssicherheitsereignisse1 Tier-1- und Tier-2-Prozesssicherheitsereignisse gemäß der Definition von RP 754 liefern grundlegende Leistungs­informa­tionen und werden jährlich erfasst, um einen konsistenten Überblick über die Prozesssicherheitsleistung des OMV Konzerns zu erhalten. Zusätzlich überwachen wir Tier‑3-Prozesssicherheitsereignisse, um eine bessere Be­wertung der kritischen Barrieren auf Anlagenebene zu ermöglichen. Die Meldung und Verfolgung von Tier-3-Ereig­nissen vermitteln uns einen Überblick über die Beanspruchung von Sicherheitssystemen, sodass wir Schwachstellen innerhalb der Barrieren auf Anlagenebene identifizieren und korrigieren können.

Schulungen

Die Kompetenz der Mitarbeiter:innen auf dem Gebiet der Prozesssicherheit wird durch einen klar definierten Schulungsplan sowie eine kontinuierliche Kommunikation von Prozesssicherheitsthemen und den Austausch von Erfahrungen und anderen relevanten Informationen zur Prozesssicherheit sichergestellt. In den Raffinerien werden zusätzlich zu den regelmäßigen Übungen der Feuerwehr vierteljährlich szenariobasierte Notfallübungen unter Beteiligung des Notfallmanagementteams des Standorts durchgeführt.

Mit dem Aufbau des konzernweiten Prozesssicherheitsnetzwerks entwickelten wir eine Online-Kollaborationsplattform, die eine Sammlung relevanter Informationsunterlagen, ein Diskussionsforum und weitere Funktionen umfasst. Wir veranstalten regelmäßig virtuelle Workshops zum konzernweiten Austausch von Know-how auf dem Gebiet der Prozesssicherheit, an denen Mitarbeiter:innen aus verschiedenen OMV Ländern und unterschiedlichen Fachbereichen teilnehmen. Dies fördert das kontinuierliche Lernen. Die Teilnahme des Topmanagements an diesen Online-Veranstaltungen demonstriert Führungskompetenz und Engagement und vermittelt die klare Botschaft, dass Prozesssicherheit wichtig ist.

Maßnahmen im Jahr 2022

Im Jahr 2022 ging die Anzahl der Tier-1- und Tier-2-Prozesssicherheitsereignisse leicht zurück. Konzernweit wurden im Jahr 2022 folgende wichtige Maßnahmen durchgeführt:

Prozesssicherheitsereignisse, Tier 1 und Tier 2

Anzahl der Ereignisse

Prozesssicherheitsvorfälle (bar chart)
  • In jedem operativen Produktionsbereich wurde ein Register mit Maßnahmen zur Risikominderung erstellt und mit Daten befüllt, wobei die Maßnahmen durch diverse Prozesssicherheitsanalysen (Process Hazard Analyses; PHAs), Bewertungen und Sicherheitsüberprüfungen identifiziert wurden. So entstand ein konsolidierter Überblick, der uns bei der Priorisierung und Weiterentwicklung von Plänen zur Risikominderung unterstützt.

Prozesssicherheitsereignisse, Tier 1 und Tier 2

Anzahl der Ereignisse

Prozesssicherheitsvorfälle (bar chart)
  • Wir erweiterten unsere KPIs für Prozesssicherheit um Tier-4-Kennzahlen und legten zusätzlich besonderes Augenmerk auf Frühindikatoren wie operative Disziplin und die Performance unserer Managementsysteme.
  • Im Geschäftsbereich E&P der OMV wurden zwei Audits des Prozesssicherheitsmanagements durchgeführt – eines an Land und eines auf See. Borealis auditierte das Prozesssicherheitsmanagement am Standort in Stenungsund.
  • Ein regelmäßig tagender Konzernausschuss für Prozesssicherheit unter Beteiligung von Vorstandsmitgliedern wurde eingerichtet, in dem die Leistungen, Erfolge und Herausforderungen im Bereich der Prozesssicherheit diskutiert werden.
  • Die konzernweite Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch im Bereich der Prozesssicherheit wurde fortgeführt – mit vierteljährlichen halbtägigen Veranstaltungen mit bis zu 200 Teilnehmer:innen an virtuellen Meetings und Präsentationen, darunter auch Beiträge des Senior Managements. Auch der jährliche Prozesssicherheitstag, eine ganztägige Veranstaltung zum Erfahrungs- und Wissensaustausch, fand wieder statt.
  • Der Geschäftsbereich E&P der OMV implementierte ein digitales Wartungs- und Integritäts-Dashboard, das einen Überblick über die Einhaltung sicherheitskritischer Wartungsarbeiten an den Anlagen gibt und gleichzeitig Wartungsstatistiken in Echtzeit anzeigt.
  • Borealis entwickelte eine umfassende Roadmap zur Prozesssicherheit für Polyolefine und Kohlenwasserstoffe, um aktuelle und zukünftige Prozesssicherheitsinitiativen für die Bereiche Borealis Group Process Safety, Operations Polyolefins und Operations Hydrocarbons zu definieren.
  • Die quantitative Risikoanalyse für den Cracker und die Aromatenanlage in Porvoo, Finnland, wurde abgeschlossen, und die -Sensitivitätsstudie für Stenungsund, Schweden, wurde durchgeführt.
  • Standardisierte Szenarien und Schutzkonzepte für die Installation von wichtigen Anlagen bei Borealis Polyolefins () und Hydrocarbons () wurden definiert.
  • Ein interner ATEX2 ATEX ist eine Abkürzung des französischen Begriffs „Appareils destinés à être utilisés en ATmosphères EXplosibles“ (Geräte, die für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären bestimmt sind).-Leitfaden über Mindestanforderungen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit von Arbeitnehmer:innen, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet sind, wurde entwickelt und ausgegeben – Borealis Polyolefins (PO) und Borealis Hydrocarbons (HC).

Ausblick

Um unsere Leistung im Bereich der Prozesssicherheit weiter zu verbessern, werden wir in den kommenden Jahren die folgenden Maßnahmen ergreifen:

  • Wir werden Prozesssicherheitsereignisse auch künftig eingehend analysieren und daraus lernen sowie den Austausch von Informationen und Erfahrungen in allen unseren Geschäftsbereichen fördern.
  • Wir sind bestrebt, die Anzahl der Prozesssicherheitsereignisse an allen unseren Standorten weltweit zu reduzieren. Unsere fortlaufenden Bemühungen werden sich auf Prozesssicherheitsanalysen, die Umsetzung der mit diesen Analysen ermittelten technischen Maßnahmen zur Risikominderung sowie auf Audits und andere Bewertungen der Prozesssicherheit konzentrieren und gleichzeitig die Performance bestehender Schutzmaßnahmen aufrechterhalten und überwachen.
  • Wir werden weiterhin Roadmaps zur Prozesssicherheit auf Anlagenebene entwickeln und umsetzen.
  • Wir werden unsere Tools zur Erkennung und Bewertung von Gefahren verbessern und diese Risiken systematisch in Angriff nehmen.
  • Wir werden unser Schulungsangebot kontinuierlich verbessern und mit einem Schwerpunkt auf den Themenkomplex Prozesssicherheit die entsprechende Kompetenz und Kultur in der Belegschaft stärken sowie das Bewusstsein für Risiken schärfen.
  • Borealis wird das Programms zur Erhöhung der Sicherheit mit neuen Initiativen sowohl auf Standort- als auch auf Konzernebene fortsetzen. Dazu zählen beispielsweise die weitere Einführung eines integrierten globalen Risikoregisters mit speziellem Fokus auf Prozesssicherheit, die Einführung eines zusätzlichen Frühindikators zur Sicherstellung der Qualität des Change Management, die Fertigstellung der -Designanforderungen für das mechanische Recycling und die Umsetzung eines konzernweiten ATEX-Verfahrens auf Standort- und Projektebene.
  • Borealis wird interne Gesundheitschecks zu prozesssicherheitsrelevanten Aspekten und eine Überprüfung der Prozesssicherheit im Rahmen des Borealis Blue Audit durchführen und das Prozesssicherheitsmanagement weiterhin von externen Prüfer:innen auditieren lassen.

Ziel bis 2025 und 2030

  • Beibehaltung der führenden Position bei der Prozesssicherheitsereignisrate

Stand 2022

  • 0,213 Prozesssicherheitsereignisrate: Anzahl der Tier-1- und Tier-2-Prozesssicherheitsereignisse pro 1 Arbeitsstunden. Arbeitsstunden der Konzernfunktionen General Management (OMV)/Executive Office (OMV, OMV Petrom, Borealis) und Corporate Finance (OMV)/Finance Office (OMV, OMV Petrom, Borealis) sind ausgenommen. Nach Rücksprache mit der sind der Zwischenfall in der Raffinerie Schwechat und die anschließende Abschaltung nicht als Prozesssicherheitsereignis () zu melden, da der Tank nicht integraler Bestandteil des Prozesses war.

Relevantes SDG

SDG-Ziel:
3.9 Bis 2030 die Zahl der Todesfälle und Erkrankungen aufgrund gefährlicher Chemikalien und der Verschmutzung und Verunreinigung von Luft, Wasser und Boden erheblich verringern

1 Tier-1- und Tier-2-Prozesssicherheitsereignisse gemäß der Definition von API RP 754

2 ATEX ist eine Abkürzung des französischen Begriffs „Appareils destinés à être utilisés en ATmosphères EXplosibles“ (Geräte, die für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären bestimmt sind).

3 Prozesssicherheitsereignisrate: Anzahl der Tier-1- und Tier-2-Prozesssicherheitsereignisse pro 1 Mio Arbeitsstunden. Arbeitsstunden der Konzernfunktionen General Management (OMV)/Executive Office (OMV, OMV Petrom, Borealis) und Corporate Finance (OMV)/Finance Office (OMV, OMV Petrom, Borealis) sind ausgenommen. Nach Rücksprache mit der IOGP sind der Zwischenfall in der Raffinerie Schwechat und die anschließende Abschaltung nicht als Prozesssicherheitsereignis (PSE) zu melden, da der Tank nicht integraler Bestandteil des Prozesses war.

PAAG
Prognose, Auffinden der Ursachen, Abschätzen der Auswirkungen, Gegenmaßnahmen
HAZOP
Hazard and Operability
EU
Europäische Union
API
American Petroleum Institute
QRA
Quantitative Risk Assessment; quantitative Risikoanalyse
PO
Polyolefine
HC
Hydrocarbons; Kohlenwasserstoffe
HSE
Health, Safety, and Environment
Mio
Million(en)
IOGP
International Association of Oil & Gas Producers
PSE
Process Safety Event; Prozesssicherheitsereignis